Chapeschas?

Zum Rotkäppchen in romanischer Sprache

In der Surselva heisst es „La Capetscha cotschna“, im Engadin „Chapütschina cotschna“, in Mittelbünden „Tgapitschina cotscha“ (Oberhalbstein) bzw. „Tgapetschina cotscha“ (Sutselva), das kleine Mädchen mit der roten Kappe, das von der Mutter mit einem Korb voll Leckereien (Kuchen und Wein) zur bettlägerig kranken Grossmutter, die in einem Haus tief im Wald wohnt, geschickt wird, wo es vom bösen Wolf hinters Licht geführt wird und, wie die Grossmutter, von diesem schliesslich gefressen wird. Das Märchen der Gebrüder Grimm wird auch heute, im Zeitalter von Twitter und Facebook, wohl noch von allen Kindern gern gelesen.

Unzählige Märchen in rätoromanischer Sprache
Ausser Rotkäppchen sind unzählige weitere Märchen der Gebrüder Grimm in rätoromanischer Sprache übersetzt worden: Schneewittchen und die sieben Zwerge, Hänsel und Gretel, der Wolf und die sieben Geisslein, Die Bremer Stadtmusikanten, Frau Holle, um nur einige zu nennen. Daneben sind zahlreiche weitere Märchen, Sagen und Legenden in dieser Sprache entstanden, die von den Eltern und Grosseleltern an ihre Kinder und Enkelkindern weitergegeben und später auch schriftlich und auf Tonträger abgelegt worden sind. Zu nennen sind da vor allem die unzähligen Zaubermärchen und Wundergeschichten, die zwischen 1870 und 1900 von Caspar Decurtins in der Surselva gesammelt worden sind und in seiner „Rätoromanischen Chrestomathie“ (1888–1912), die bis heute wichtigste Textsammlung für die rätoromanische Literaturwissenschaft, publiziert worden sind. Ferner die  bekannten „Parevlas Engiadinaisas“ von Gian Bundi (http://de.wikipedia.org/wiki/Gian_Bundi), illustriert von Giovanni Giacometti, die auch in Deutsch vorliegen („Engadiner Märchen“), sowie die bekannte Ausgabe „Nossas praulas“ (1952, Surselvisch) bzw. „Nossas tarablas – Nossas parevlas“ (1965, Vallader und Puter).
Als Klassiker der romanischen Märchenwelt gilt zweifelsohne „Tredeschin“ (Romanisch: 'Der Dreizehnte'), das 1922 erstmals im Engadiner Volkskalender "Dun da Nadal" im Idiom des Oberengadins, Puter, erschienen ist und 2014 von der Chasa Editura Rumantscha neu aufgelegt worden ist. Das Märchen ist 2006 auch als Kammeroper (Gion Antoni Derungs) umgesetzt und aufgeführt worden. (Siehe http://www.ulrichbruppacher.ch/page2/files/die-geschichte-vom-tredeschin-.pdf)

• Rotkäppchen_Märchen

Rotkäppchen

Es war einmal ein kleines süßes Mädchen, das hatte jedermann lieb, der sie nur ansah, am allerliebsten aber ihre Großmutter, die wußte gar nicht, was sie alles dem Kinde geben sollte. Einmal schenkte sie ihm ein Käppchen von rotem Samt, und weil ihm das so wohl stand, und es nichts anders mehr tragen wollte, hieß es nur das Rotkäppchen. Eines Tages sprach seine Mutter zu ihm: “Komm, Rotkäppchen, da hast du ein Stück Kuchen und eine Flasche Wein, bring das der Großmutter hinaus; sie ist krank und schwach und wird sich daran laben. Mach dich auf, bevor es heiß wird, und wenn du hinauskommst, so geh hübsch sittsam und komm nicht vom Wege ab, sonst fällst du und zerbrichst das Glas, und die Großmutter hat nichts. Und wenn du in ihre Stube kommst, so vergiß nicht guten Morgen zu sagen und guck nicht erst in allen Ecken herum!” “Ich will schon alles richtig machen,” sagte Rotkäppchen zur Mutter, und gab ihr die Hand zum Abschied.